Stress & Sport


Stress & Ausdauersport

Laufen in der Natur, Psychotherapie in Bewegung
Laufen in der Natur

Wenn Menschen unter chronischem Stress leiden wird ihnen im Rahmen einer Psychotherapie häufig empfohlen mehr Bewegung zu machen. Die ehrgeizige Fraktion macht dabei gerne den Fehler in die Leistungsschiene zu rutschen und plötzlich wird der Sport zu einer zusätzlichen Belastung anstatt zu einer Erholung. Was ist bei der Bewegungs- bzw. Trainingsplanung von Menschen mit hohem Stressniveau zu beachten?

 

Ich sehe in der Praxis zwei Gruppen von Menschen: Diejenigen, denen die Bewegung an sich bereits genügt und diejenigen, die zusätzlich eine sportliche Leistungssteigerung anstreben. Bei der ersteren Gruppe ist die Bewegungsplanung unter dem Aspekt einer chronischen Stressbelastung wesentlich einfacher zu gestalten, da sie bereits intuitiv mehr den Moment genießt als sich auf Leistung zu versteifen. Wenn Sie zu dieser Gruppe gehören sollten Sie locker Spazieren, Walken, Wandern, Radeln, Schwimmen, etc. Wenn es nicht unbedingt Laufen sein muss, dann verzichten Sie darauf. Die Gefahr sich dabei zu überlasten ist sehr hoch, besonders für Anfänger. Wenn es unbedingt Laufen sein muss, dann bitte ausschließlich im Grundlagenbereich (siehe weiter unten). Bevorzugen Sie Bewegung im Freien um die positiven Aspekte der Natur gleich mitzunehmen (Sonnenlicht -> Vitamin D, etc.). Verabreden sie sich eventuell mit anderen zur Bewegung um soziale Bedürfnisse mit zu bedienen. Wenn Sie alleine unterwegs sind genießen Sie einfach den Moment und richten Sie ihre Aufmerksamkeit auf die Umgebung und die Funktionen ihres Körpers.

 

Bei der leistungsorientierten Gruppe wird die Bewegungsplanung bereits wesentlich komplizierter. Es gibt dabei einen wichtigen Punkt zu beachten. Zu intensives oder auch zu langes Ausdauertraining produziert Stresshormone (Cortisol), d.h. es steigert(!) ihr Stressniveau, anstatt es zu reduzieren! Zusätzlich steigert es die körperliche und psychische Erschöpfung. Alles Dinge, die sie als stressgeplagter Mensch keinesfalls brauchen können. Doch wie jetzt das Training planen, wenn ich meine Leistung steigern möchte, ohne mich zu überlasten? Ein kurzes Praxisbeispiel anhand des Laufens: Machen Sie lange Läufe ausschließlich im Grundlagenpulsbereich. D.h. 180-Lebensalter ("Maffetone-Methode") ist ihre Obergrenze(!). Bei mir wäre das 180-43=137. Sie müssen mit ihrer Laufgeschwindigkeit so weit runter, so dass Sie unterhalb dieses Bereiches bleiben. Das ist für manche vor allem mental schwer auszuhalten, da sie das Tempo sehr reduzieren müssen. Aber denken Sie daran, das Sie Erschöpfung vermeiden wollen! Beginnen und beenden Sie ihre langen Läufe mit jeweils 10 Minuten Gehen. Steigern Sie die Lauflänge sehr langsam (wenn Sie jedesmal 5 Minuten hinzufügen, schaffen Sie im Nu eine Stunde oder mehr). Machen Sie keine Tempoläufe (außerhalb von Wettkämpfen), kein Intervalltraining, kein Tabata, kein H.I.I.T. oder sonst irgendwelche selbstzerstörerischen Trainingsmethoden. Mit der Grundlagenmethode bringen Sie ihre Ausdauer locker auf Halbmarathon- oder gar Marathonniveau. Und wenn Sie schon unbedingt ihre Laufzeiten verbessern möchten, dann Sprinten Sie. Ja, richtig gelesen! Nehmen Sie sich eine Strecke von ca. 50m (100m sind zuviel), sprinten Sie die Strecke, gehen Sie gemächlich zum Start zurück, pausieren Sie ein bis zwei Minuten und wiederholen Sie das ganze 5 bis 6 mal (langsam steigern!). Sprinten Sie nicht häufiger als 1x/Woche, eher 1x alle 2 Wochen, machen Sie nach jedem Lauftraining mindestens einen Tag Pause und laufen Sie insgesamt nicht häufiger als 3x/Woche.

 

Fazit zum Thema Stress und (Ausdauer-)Sport: Sporteln Sie prozessorientiert, nicht zielorientiert. D.h. genießen Sie den Moment (=Achtsamkeit), genießen Sie die Natur, fühlen Sie die positive Aktivität ihres Körpers, erfreuen Sie sich ihrer Leiblichkeit. Versteifen Sie sich nicht auf Höhenmeter, Anzahl der Kilometer, Kilometerschnitte oder Wettkampfergebnisse. Wenn es schon leistungsorientiert sein muss, dann gut geplant, ohne dass dabei unnötige zusätzliche Erschöpfung generiert wird.

 

Sportliche Grüße

 

Manfred Pratter    

  

Lesetipps: 

  • Mark Sisson: Ultimative Ausdauer.
  • Dr. Philip Maffetone: The big book of endurance training and racing.

Stress & Kraftsport

Krafttraining im Freien, Psychotherapie in Bewegung
Krafttraining im Freien

Im zweiten Teil zum Thema Sport bei chronischem Stress geht es um das Krafttraining. Da die Fitnessstudio-Szene in den letzten Jahren massiv boomte, begegnen mir in der Psychotherapie-Praxis immer häufiger Personen, die regelmäßig Krafttraining betreiben. Auch hier besteht die Gefahr, dass das Training zu einer zusätzlichen Belastung wird, wenn dadurch ein Zuviel an Erschöpfung produziert wird.  Statt eine Erholung zu erreichen wird es möglicherweise sogar schlimmer mit Stresssymptomen. Wie können Sie dies vermeiden und trotzdem produktiv trainieren obwohl Sie sich in einer stressigen Lebensphase befinden? Berücksichtigen Sie in ihrer Trainingsplanung folgende Punkte:

  

  • Trainieren Sie nicht bis zum völligen Muskelversagen, dies produziert massive Erschöpfung. Im Kombination mit einem stressigen Alltag kann Ihnen dies sprichwörtlich "den Rest" geben. Vermeiden Sie Trainingssysteme die auf starkes Muskelversagen abzielen (z.B. HIT), sondern setzten Sie auf Systeme, die starke Ausbelastungsintensität vermeiden (z.B. Clustertraining). Lassen Sie immer mindestens eine Wiederholung "im Tank".
  • Machen Sie ausreichend Pause zwischen den Trainingssätzen.
  • Machen Sie ausreichend Pause zwischen den Trainingstagen, d.h. nach jedem Trainingstag mindestens ein Tag Pause, maximal drei Trainingstage pro Woche.
  • Zusätzliches hartes Ausdauertraining (Tempoläufe, Sprinten, etc.) zählt nicht als Pause, sondern als Trainingstag. Trainieren Sie Ausdauer vorwiegend im lockeren Grundlagenbereich (siehe obigen Artikel zum Thema Ausdauersport).
  • Trainieren Sie im mittleren Wiederholungsbereich (5-10). Machen Sie keine 1er Maximalwiederholungen oder 20er Sätze, beide sind sehr strapaziös.
  • Setzten Sie auf Grundübungen, verschlanken Sie den Trainingsplan, raus mit unnötigen Isos. Je weniger Übungen, desto weniger Trainingssätze, desto geringer die Erschöpfung.
  • Wenn Ihnen eine Übung Schmerzen bereitet - raus damit!
  • Achtung bei Langhantelkniebeugen -bzw. Kreuzheben. Diese beiden Übungen produzieren massive Erschöpfung. Ein möglicher Ausweg kann der Einsatz von einbeinigen Unterkörperübungen sein.
  • Splitten Sie ruhig, ein Ganzkörpertraining produziert mehr systemische Erschöpfung, als eine Aufteilung in z.B. Oberkörper und Unterkörper.
  • Nehmen Sie während stressigen Lebensphasen nicht an Bodybuildingwettkämpfen teil, die Diäten im Vorfeld sind massiv belastend.
  • Machen Sie generell keine Crash-Diäten. Halten Sie ihren Körperfettanteil in einem sportlich gesunden Bereich (10-15% für Männer). Zu niedrig wird zur Belastung für ihren Körper. Bei Übergewicht setzen Sie primär auf das Training und eine gesunde, aber ausreichende(!) Ernährung. Keine extremen Kalorienreduktionen!
  • Finger weg von stark koffeinhaltigen Trainigsboostern! Diese können das Auftreten von Panikattacken begünstigen und Schlafstörungen verursachen!

Wenn Sie diese Punkte in ihrem Training umsetzen, machen Sie das Krafttraining in stressigen Lebensphasen zu einer zusätzlichen Ressource. Ein gesunder, fitter Körper ist immer die beste Ausgangsbasis zur Bewältigung anstrengender Lebensphasen.

 

Sportliche Grüße

 

Manfred Pratter

  

Lesetipps:

  • Dr.  Andreas Müller: Natural Bodybuilding.
  • Chad Waterbury: Muskeln Sofort - das Powerprogramm.
  • Pavel Tsatsouline: Power to the People.